Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kolumne zum 1. Mai

Reduzierung der Arbeitszeit ist ein Irrweg

Ein neues Verhältnis zu Arbeit und Einsatz ist nötig, meint Ulrich Schürenkrämer. Die positiven Effekte der Arbeit müssten wieder deutlich werden.
Demonstration von Mitarbeitern der Hamburger Hochbahn AG
Foto: IMAGO/Hanno Bode (www.imago-images.de) | Die Arbeitsmoral lässt nach, die Arbeitszufriedenheit sinkt. Im Bild: Demonstration für die 35-Stunden-Woche in Hamburg.

Die Gewerkschaft der Lokführer hat ihr Ziel erreicht: weniger Arbeit und voller Lohnausgleich. Das nährt auch in anderen Branchen die Hoffnung auf eine reduzierte Arbeitszeit, vielleicht sogar auf 30 Stunden pro Woche oder die Vier-Tage-Woche. Die Forderungen nach höherem Einkommen sind sicher berechtigt. Gerade bei ehemaligen Staatsbetrieben wie der Deutschen Bahn AG und im Öffentlichen Dienst hat die Lohndifferenz zwischen untersten und obersten Tarifgruppen die größte Spreizung.

Die Reduzierung der Arbeitszeit ist jedoch ein Irrweg. Wir sind es nicht (mehr) gewohnt, lang und hart zu arbeiten. Gemäß der jüngsten OECD-Studie sind die durchschnittlich tatsächlich geleisteten Jahresarbeitsstunden in Deutschland mit 1.363 Stunden pro Jahr am niedrigsten, fast 400 Stunden weniger als im EU-Durchschnitt, 600 Stunden weniger als in Griechenland und gut 800 Stunden weniger als in Mexiko oder in den Tigerstaaten Asiens! Man könnte meinen, dass die großzügige Freizeit der Erholung und Gesundheitsförderung dient – weit gefehlt. Laut einer aktuellen Auswertung der Krankenkasse DAK ist der Krankenstand auf Rekordhöhe. 2023 fehlten die Beschäftigten im Schnitt 20 Tage im Job. Urlaubs- und Feiertage scheinen auch wenig zu helfen. Während Berufseinsteiger in den USA in der Regel mit zwei Urlaubswochen zurechtkommen müssen, wünschen sich Berufsanfänger in Deutschland zu den 30 bezahlten Urlaubs- und Feiertagen auch noch ein Sabbatical, das heißt zusätzlichen unbezahlten Urlaub, und insbesondere Homeoffice.

Erinnern wir uns an Papst Johannes Paul II.

Die Arbeitsmoral lässt offenbar nach. Zudem sinkt die Arbeitszufriedenheit, vielleicht auch durch eine gefühlte Mehrbelastung der Beschäftigten infolge von Fachkräftemangel, fehlendem Nachwuchs und dadurch gekennzeichneter Unterjüngung der Belegschaft. Innerlich gekündigt haben gemäß Gallup Engagement Index 19 Prozent der Beschäftigten, 67 Prozent machen Dienst nach Vorschrift.

Ulrich Schürenkrämer
Foto: privat | Ulrich Schürenkrämer ist Managing Director der Machlaan GmbH, München und Koordinator für Deutschland der päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice, Vatikan.

Ein neues Verhältnis zu Arbeit und Einsatz ist nötig! Die positiven Effekte der Arbeit für den Menschen müssen wieder deutlich und ganzheitlich erfahrbar werden. Wir müssen uns vom sozialistischen Trend „der Staat wird es schon richten“ lösen und den christlichen Blick „Eigenverantwortung mit Gemeinwohlorientierung“ auf die Arbeit schärfen. Erinnern wir uns an Papst Johannes Paul II.: „Durch Arbeit muss der Mensch sich sein tägliches Brot beschaffen. Zugleich aber soll er durch sie auch beitragen zum ständigen Fortschritt von Wissen und Können, vor allem aber zum unaufhörlichen sittlichen und kulturellen Aufstieg der Gemeinschaft …“ (LE).

Es reichen nicht die 14 Prozent der Beschäftigten, die für ihre Aufgabe brennen und eine hohe emotionale Bindung an ihr Unternehmen haben, und die wenigen charismatischen Führungspersönlichkeiten, die jeder kennt. Wir müssen generell durch Wertschätzung der Mitarbeiter, Entwicklung und Förderung ihrer unterschiedlichen Talente, durch Sinnstiftung und Teambildung die Motivation und Arbeitszufriedenheit aller Beschäftigten steigern. Unsere Gesellschaft und ihr langfristiges Wohlergehen brauchen dies dringend.


Der Autor ist Managing Director der Machlaan GmbH, München und Koordinator für Deutschland der päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice, Vatikan.

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